Schluss mit dem schlechten Gewissen-Frauen in Führungspositionen


Johannes Schmeer

Kinder, Küche, Kirche“ – das war einmal! Das klassische Bild der Großfamilie, in der die Mutter am Herd bleibt und die Kinderschar hütet, gehört längst der Vergangenheit an. Die Zeiten dieses Minderheitenschutzes sind vorbei, Frauen sind auf dem Vormarsch. Über die Hälfte aller deutschen Abiturienten und Hochschulabsolventen sind weiblich. Und auch in Führungspositionen kommen Frauen vermehrt zum Zug: Laut Statistischem Bundesamt ist der Frauenanteil seit 1996 von 21,8 Prozent auf knapp 28 Prozent gestiegen – immerhin. Den Managerinnen von heute scheint alles möglich: Kinder, Küche – und Karriere. Diesen Dreiklang in der Realität allerdings unter einen Hut zu bringen, ist alles andere als einfach. Wer weiß schon, wie der Alltag von Frauen im Mittleren- oder Top-Management tatsächlich aussieht?

 Die Zeit: 09:00 Uhr morgens. Der Schauplatz: Ein Einfamilienhaus mit einem gepflegten Vorgarten und einer kleinen Veranda, auf der eine Hollywoodschaukel steht. Ein Vorstadtidyll wie aus dem Bilderbuch. Neben dem Carport stehen ein Junge und ein Mädchen, beide mit Schulranzen bepackt und verabschieden sich fröhlich – aber eben nicht von ihrer Mutter oder ihrem Vater, sondern von ihrem Kindermädchen. Die Eltern sind bereits seit über einer Stunde im Büro, beide in leitenden Positionen großer Unternehmen.

 Der Spagat zwischen Kind und Karriere ist nicht einfach. Oft haben Frauen in Führungspositionen das Gefühl, den Anforderungen ihrer Umwelt nicht gerecht zu werden, sich für ihre Wahl rechtfertigen zu müssen und in allen Bereichen perfekt zu funktionieren: Die treusorgende Mutter, die sich um die Erziehung und Ausbildung der Kinder kümmert. Die liebevolle Ehefrau, die ihrem Mann eine gleichwertige Partnerin ist. Und die toughe Managerin, die das Unternehmen schmeißt und ihr Team fest im Griff hat. Sie versuchen krampfhaft, ein Gleichgewicht zwischen Beruf, Familie und Freizeit herzustellen. Es gelingt leider nur in den wenigsten Fällen!

 Genau an diesem Punkt im Leben kommen weibliche Führungskräfte zu mir ins Coaching. Der Punkt, an dem sie merken, dass der Preis für den „Tanz auf allen Hochzeiten“ langfristig zu hoch ist. Dass die Situation sie mürbe macht, sie mental, emotional und körperlich zu sehr belastet, dass sie, zugespitzt formuliert, auf Dauer daran zugrunde gehen würden.

All das sind Frauen, die beruflich viel erreicht haben und anerkannt sind. Die fachlich in ihrem Bereich top sind, die es gewohnt sind, hart für eine Sache zu arbeiten, 14 Stunden am Tag und noch mehr. Und die ambitioniert und fokussiert sind – nur nicht auf ihr eigenes Wohlergehen, auf ihr Innerstes. Und genau hier gilt es anzusetzen! Es gilt, an der eigenen Einstellung, an Haltungen, an Werten und an Glaubenssätzen zu arbeiten. Hört sich leicht an, aber jeder, der schon einmal alte Gewohnheiten loswerden wollte, weiß, wie schwierig und langwierig das unter Umständen sein kann. Und doch kann dies mit drei einfachen, aber effektiven Hebeln gelingen, wie es sich bei vielen meiner Klientinnen gezeigt hat.

 Gebot Nummer eins für Powerfrauen: Liebe die anderen, aber dich selbst am meisten!

 Familie, Freunde, die Kollegen – sie alle kommen bei den meisten Frauen an erster Stelle. Und weshalb? Es ist eine Frage der Erziehung. Von klein auf wird Mädchen beigebracht, an andere zu denken, die eigenen Bedürfnisse hinten an zu stellen, für jeden da zu sein. Selbstverständlich ist meinen Klientinnen klar, wie altmodisch diese Einstellung ist, aber es ist einfach fest im Kopf und damit im Verhalten verankert. Aber nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann sich auf andere einlassen.

 Mein Tipp: Seien Sie einmal pro Tag eine Viertelstunde nur für sich alleine – das ist ein extrem machtvoller Anfang. Einziges und zwingendes Kriterium: es muss sich uneingeschränkt gut anfühlen. Also nicht eben mal auf die Schnelle ein paar private E-Mails nebenbei beantworten, sondern ganz bewusst 15 Minuten alleine im Zimmer verbringen, ohne Störung. Sich vollkommen von der Außenwelt abschotten. Aber genießen Sie diese Stille mit Zeit und Muße! Beobachten Sie den eigenen Atem… und lassen Sie jeden Gedanken an die Arbeit auch sofort wieder davon ziehen, einfach so, weil es gut tut. Es sollte eine Begegnung mit Ihnen selbst sein – gerade morgens, „bevor es richtig los geht“ wirkt das erfahrungsgemäß Wunder.

Gebot Nummer zwei: Sei’ mit ganzem Herzen bei der Sache!

14 Stundenschichten und noch mehr sind für niemanden eine Freude – auch nicht für die Gesundheit! Für Freizeit und Regeneration bleibt Managerinnen oft keine Zeit, auch die Wochenenden sind für Arbeit reserviert – und wenn es nur Gartenarbeit ist. Wann frau das letzte Mal ein Buch gelesen hat? Das letzte Mal im Kino war? Das letzte Mal einen Ausflug an den See mit der Familie gemacht hat? Man kann sich gar nicht mehr daran erinnern, so lange ist es schon her.

Und auch folgende Situation kennt jeder: Frau sitzt zu Hause am Esstisch, der Partner oder das Kind erzählen einem, wie der Arbeits- oder Schultag war. Aber die Gedanken schweifen ab: Das wichtige Meeting mit dem Aufsichtsrat steht morgen an. Hat man sich auch wirklich gut vorbereitet? Man geht noch einmal alle Punkte im Kopf durch…vielleicht wäre es doch gut, die Zahlen später noch einmal zu kontrollieren…nur um sicher zu sein. Ein solches Leben zehrt an der Substanz, an den Nerven, an der Gemütsverfassung der Frauen. Besser ist, sich auf eine Sache zu konzentrieren – das aber konsequent.

 Mein Tipp: Auch wenn es dauert, das zu lernen, aber lassen Sie fortlaufend einen kleinen inneren Controller arbeiten. Er soll Ihnen immer einen freundlichen (!) Hinweis geben, wenn Ihre Gedanken abschweifen oder woanders sind. Wenn das – wie im beschriebenen Beispiel oben – der Fall ist, werden Sie weder Ihrer beruflichen Arbeit gerecht (die ja gerade weit weg ist), noch Ihrem Kind, das der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Mutter bedarf. Bei der Meldung des freundlichen Controllers wird es sich für Sie lohnen, seiner Einladung zu folgen. Denn Ihre Gedanken gehören ins „Hier und Jetzt“.

 Gebot Nummer drei: Du sollst auch einmal „Nein“ sagen!

Managerinnen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen, sind tendenziell perfektionistisch veranlagt. Es soll schließlich niemand sagen dürfen, man habe sich einer Sache nur halbherzig gewidmet! Die eigenen Ansprüche sind hoch: Frau möchte perfekte Haus-Frau sein, perfekte Ehe-Frau, gleichzeitig aber auch zielstrebige Business-Frau, kurz gesagt Meryl Streep in „The Bridges of Madison County“ und „The Devil Wears Prada“ – ein Balanceakt, der Probleme aufwirft. Denn Frau ist bemüht alle Aufgaben zu erledigen – sowohl beruflich als auch privat. Und kann dabei schlecht „nein“ sagen. „Könntest du bitte noch zwei Kuchen für das Sommerfest im Kindergarten backen?“ – „Selbstverständlich!“ „Schaffen Sie es bis morgen, die Kampagne noch in einer zweiten, schlankeren Variante zu planen und kalkulieren?“ „Natürlich!“ „Nein“ ist ein Fremdwort und kommt in diesem Universum nicht vor. Dabei ist es nicht schwer, ein „Nein“ positiv zu formulieren ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen.

Mein Tipp: Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl! Wer perfektionistisch veranlagt ist und/oder nicht „Nein“ sagen kann, dem fehlt es erfahrungsgemäß genau daran. Gleichzeitig ist ein gesundes, positives Selbstwertgefühl der effektivste Hebel, um mit Reaktionen auf Ihr „Nein“ entspannt umgehen zu können. Selbstverständlich geht das nicht von heute auf morgen. Aber um dieses zarte Pflänzchen Selbstwertgefühl zu hegen und zu pflegen lassen sich ja die täglichen 15 Minuten Selbstbesinnung bestens nutzen. Entweder, um mit sich selbst in einen freundlichen, anerkennenden inneren Dialog zu treten, der würdigt und wertschätzt anstatt zu verurteilen. Oder zum Beispiel auch, um wieder einen alten Buchklassiker zu diesem Thema zu lesen, wie „Sage Nein ohne Skrupel“ von Manuel Smith. Was schon den Müttern Ende der 70er Jahre geholfen hat, wird ihren Powerfrauen-Töchtern ganz sicher nicht schaden.

 Johannes Schmeer begleitet seit vielen Jahren Managerinnen und Manager dabei, ihre Führungskraft voll auszuschöpfen. Als Topmanagement-Coach liefert er Fragen, Ideen und Impulse, sodass Führungskräfte mit allen Herausforderungen im Arbeitsleben souverän umgehen können. Weitere Informationen unter: www.johannes-schmeer.com

2 Antworten

  1. kann ich nur zustimmen.

  2. Ja es gibt keinen Grund für schlechtes Gewissen! Rund zwei Drittel aller Mittelständler beschäftigen heute Frauen in Führungspositionen: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/mittelstaendler-schreiben-frauenfoerderung-gross/

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